Schleichende Auflösung - Beim S.Fischer Verlag, Oktober 2004

Die Verlagsräume von Fischer füllen sich nach einem anstrengenden Messetag. Noch entspannte Gespräche bevor der Lärmpegel eine zusammenhängende Konversation unmöglich macht. Anzeichen schleichender Auflösung. Eine Verlagsvertreterin, die mich in den vergangenen Jahren mit Kinderliteratur versorgt hat, berichtet mir von ihrer Kündigung und umarmt mich schmerzvoll als wolle sie glücklichere Zeiten wachrufen. Sie wird eine Buchhandlung in ihrem Heimatort eröffnen. Reimer Ochs, der Fels in der Fischer-Welt freut sich auf den Besuch seiner Töchter, von seiner Frau mag er nicht mehr berichten, aber sein Leid nimmt man ihm ab.
Am eigenen Messestand wickeln sich unsere vor einem Jahr eingeführten Buchhandlungsmenschen selbst ab und schauen sich nach Jobs um. Aber außer Sekt und Trockengebäck bieten die Verlage und Konzerne nichts an. Bei unseren NAchbarn, die fröher selbständig und heute zu Konzernen gehören, sprechen nadelbestreifte Vorstandsmitglieder von der großartigen Entwicklung und bezeichnen eien x beliebigen Durchschnittsverlag als Starautorenerlag. Das hat schon fast Harald Schmidt Niveau, ist aber fast schon absurd.

Deutschland schrumpft, die Chinesen kommen auch zu Anderen, das bei den Verlagsnachbarn gesprochene abstruse shaholdervaluedenglisch hört sih eigentlich noch viel chinesischer an.

Ansonsten herrscht große Strenge, vor allem bei den Frauen. Der Burofräulein - Look dominert. Hochgesteckt, blutrote, lusttötende Lippen und dominahafte Umgangsformen. Nur Frau Prinz lächelt und die Verlegersgattin, die wirkt wie die junge ungestylte Madonna, bringen ein wenig disonnante Unruhe in den Funktionärshaufen. Die Zeiten der großen Deals sind vorbei, es ist reine Selbstdarstellung oder Erstarrung kurz vor der Auflösung. In so eine Buchmesse passt dann auch ein Nobelpreis für depressive Feministenliteratur.

Mein persönlicher Trend geht ja zum Regionalismus, zur Räckkehr zu den alten Werten. Mit unserem jungen Herstellungsleiter schaue ich mir preisgekrönte Bücher an, darunter auch ein juristisches. Da müssen wir auch mal hinkommen, die Voraussetzungen hötten wir.

Auch Kurt macht sich Gedanken um seinen Job. Inzwischen hebt sich sein schwarzer Anzug zwischen den Bonbonfarben der Kinderschundliteratur richtig ab. Dumpfgrelle Disney-Farben legen sich wie Zuckerguß über die Bücher und kaschieren die Nichtinhalte der Bücher.

Stilvoll geht es noch bei Fischer, Rowohlt, dtv, Diogenes und suhrkamp zu. Aber viele Befindlichkeitsbücher, Selbstdarstellungen von mehr oder weniger bekannten Personen der Zeitgeschichte. Herr Balk, der Verleger von dtv und einer der Großen der Branche, zugleich Kämpfer für die Konzernunabhängigkeit nimmt sich ein paar Minuten Zeit für mich und schenkt mir zwei Bücher. Eine ehrliche Ansprache ist ja schon vile auf so einer Messe.

Die Momente des Glücks liegen derzeit im Privaten. Während ich mirt der Straßenbahn nach Sachsenhausen zu Fischer fahre, freut sich unser Herstellungsleiter auf den gemeinsamen Pizzabesuch im Taunus mit Frau Prinz. Etwas nachdenklich stehe ich auf dem Bahnsteig in Frankfurt-Süd und wundersamerweise hält ein ICE, der zu sagen scheint, auch Du, mein Sohn, kehre heim ins Private. Und auf freut sich inniglich

Dein M.