Bericht aus der Hauptstadt - Dezember 2004

Der Fdppolitiker Wolfgang Gerhard wurde im vergangenen Jahr auch als Bundespräsidentkandidat gehandelt. Naja, auf einen Liberalen konnte man sich dann nicht einigen, weil man noch die Sangeseskapaden des letzten Liberalen in Erinnerung hatte. Was macht ein Exbundespräsidentkandidat, Exparteichef kurz vor der Weihnachtspause im kellerkalten Berlin? Er geht essen, gleich neben der Parteizentrale beim Italiener. Da waren wir auch mit unserem Autor und saßen gleich mitten drin in liberalen Funktionärinnen und Funktionären. Vom politischen Gegner war die Rede, von Meinungsführerschaft, ja auch von Prosecco und Seezunge, deren Bestand doch die Ernährungsministerin als gefährdet eingestuft hatte, etwa weil der politische Gegner nach einem harten Politikerfunktionärstag netzeweise Seezunge verspeist. Da schnüffelte ich doch lieber an den weißen Trüffeln, die uns der Patrone in einem Glas entgegenhielt, die Augen sanft verdrehend, und ich stellte mir schon vor, wie auf Heymannskosten ein paar Trüffelspäne auf meine Nudeln segeln würden. Aber schon dasRumschnüffeln gefiel mir nicht, noch der Geruch und dann fiel mir ein, dass irgendwelche Hollywooddeppen neulich einen Riesentrüffel für 42.000 Dollar ersteigert hatten, der dann, als er verzehrt werden sollte, nur noch ein stinkender, schimmeliger Klumpen war. Nein, meinem Selbstbild entsprechend, wählte ich mit Kürbis gefüllte Ravioli und da für den Abend auch kein Chipskonsum in Aussicht stand als kleine Vorspeise ein Tunfischcarpaccio.

Unbeachtet oder im respektvollen Abstand zur Funktionärsclique speiste also der Exparteichef und -kandidat, und mir kamen die einsamem Hopperbilder ins Gedächtnis. So trostlos kann die große Politik sein, fern von der Macht und Westerwelle. Der echte Bundespräsident reist durch Afrika, der verhinderte muss beim Fdpitaliener Seefrüchte verspeisen.

Der Abend mit meine Autor wurde dann aber auch lang, nicht ganz so einsam und neben dem Geschäftlichen ganz interessant. 22 Jahre hatte er in Bon gelebt, studiert und gearbeitet, jetzt drei Jahre in Brlin ziehe ihn nichts mehr zurück. Bonn sei klein geworden, provinziell und sehe auch nach dreijähriger Pause nahezu unverändert aus. Ich verkniff mir den Hinweis auf die aktive Musikschulpolitik und heranwachsende kommunalpolitische Talente. Aber dann stellte sich raus,dass er auch keine Kinder in marode Kindergärten oder Schulen zu schicken habe und das schöne Leben eines Westlers im Prenzlauerberg führen könne, dessen einzige Sorge ist, nicht in die vielen Hundehaufen zu treten. Das nutzte ich und verpflichtete ihn, das Buch in einem Jahr zu schreiben, dann klappt das auch mit den sauberen Schuhen...

Nun richtet sich mein Blick, so schnell es die Zeit noch zulässt auf das Holocausmahnmal, dessen letzte Steele heute eingepflanzt wird. Als die Baustelle eröffnet wurde, war ich zufällig dabei und sah wie unser Exnachtbar von Voss den Excduparteichef Schäuble durch den Schlamm bugsierte. Seltsame Zufälle, am Anfang und Ende einer Baustelle in Berlin zu sein.