Schützt die Wochenenden(!) und eine Junggesellenradtour und paar andere Ausschweifungen


Seit einem halben Jahr etwa sind unsere Wochenenden sehr unübersichtlich geworden. Nicht nur die Privatisierung vom Post und Telefon hat zu großer Verwirrung geführt, weil Telefonieren durch die Anfügung von geldsparenden Vorwahlen manchmal nichts, bei falscher Vorwahl überproportional viel kostet oder Briefe gar nicht mehr versandt werden können, weil man keine Briefkästen mehr findet und das persönliche Vorbeibringen in vielen Fällen der kürzere Weg ist.

Nein, mit dieser ständige Veränderung und Wachsamkeit muss man in den letzten Jahren in allen Bereichen rechnen, selbst in den unerschütterlichen Bastionen der Kirche mit ihren fest gefügten am Kalender oder den Gestirnen orientierten Festen.

Kommunionen und Konfirmationen und Kommunionen können mittlerweile fast das ganze Jahr über stattfinden. Durch die Verteilung solcher Feste auf das Jahr ist sichergestellt, dass eigentlich jedes Wochenende potentiell für die Erholung durch Nichtstun und Nichtfahren ausfällt, weil bestimmt immer ein Kind aus dem Familien- oder Freundeskreis die Weihen der Kirche erfährt.

Früher, Als es nur einen Termin gab, konnte man oder man konnte nicht. Hatte man am Weißensonntag eine Kommunion eines eigenen Kindes, konnte man selbstverständlich keine andere mehr besuchen: Die eigene sticht die eines anderen Kindes und keiner war böse.

Mittlerweile gibt es aber ein System, wo die Ökumene gepaart mit den Mechanismen der Marktwirtschaft aufs allerbeste funktioniert (Ich glaube, das ist einer der wenigen Bereiche, wo die Ökumene funktioniert). In einem Zeitraum herrlicher Frühlingswochenenden von drei Monaten finden Erstkommunionen und Konfirmationen statt. So gibt es keine Ausreden mehr bei Einladungen von Konfirmanden von Freundenvonfreunden, denn die eigene hat ja vielleicht schon längst an einem andern Termin stattgefunden oder wird noch stattfinden.

Die Wochenenden, die dann noch frei bleiben werden in der Regel dann locker von Schulen mit zweifelhaften Schulfesten gefüllt, die zeitlich so angesetzt werden, dass man gleich nach dem Aufstehen Kartoffel- und Nudelsalat zubereitet, die dann beim Fest gegen Bons wieder zurückgekauft werden (Ich selbst esse, wenn überhaupt nur die eigenen Gerichte, weil ich mich nicht auch noch finanzielle an den zweifelhaften kulinarische Genüssen von Miteltern beteiligen möchte, deren persönlicher Gesamtzustand die Unausgewogenheit der selbstverwandten Ingredienzien bereits spiegeln... )

Aber ich schweife ab, nur soviel: Man (ich jedenfalls immer) kehrt erledigt von solchen Veranstaltungen zurück, den das, um das es beim Schulfest geht, nämlich der Präsentation schülerischer Leistungen, wird erdrückt vom Selbstdarstellungsdrang der Eltern, die ein schutzloses junges Publikum mit ihren in die Jahre gekommenen Kellerbands und schlecht ausgesteuerten Boxen penetrieren und den Schulhof mit Eisständen und Bierausschänken verstellen, um das Niveau ihres Blutzucker- und Alkoholspiegels auf dem gewohnten Niveau nahtlos halten zu können und das alte Sportlermotto „Keine Macht den Drogen“ augenfällig zu widerlegen.

Ziemlich erledigt kam ich gestern von einem solcherart eingeleiteten Wochenende zurück, um festzustellen, dass sich die Familie schon wieder in Auflösung befand, weil – ja, irgendwo im hessischen - wieder Konfirmation gefeiert wurde.

Und so blieben Luis und ich ALLLEIN.

An dieser Stelle muss ich freilich klarstellen, dass ich gegen Feste im Familienkreis nichts einzuwenden habe und auch gerne komme (schön auch, dass man keine Bons braucht und nicht im Stehen essen muss), aber dass alle Wochenende schutzlos persönlichen Zentralfesten ausgesetzt sind, für die es bislang nur ein allerengstes Zeitfenster gab, auf das man sich einstellen konnte, ärgert mich sehr und führt zur Entwertung dieser Feste. In Köln gehört es noch dazu, dass sich Rosenmontagszüge auch mit Schneepflügen den Weg bahnen müssen, genauso, dass sie bei frühsommerlichen Temperaturen stattfinden und nur die charakterschwachen Düsseldorfer sind auf die Idee gekommen, einen wegen des Golfkrieges ausgefallen Rosenmontagszug im Sommer nachzuholen.

Doch auch, soviel muss ich zugeben: Auch ich bin an der Atomisierung der Wochenenden nicht unbeteiligt. Unser Chor hatte – wie ich allerdings bekenne – gegen meine Bedenken ein Tanzfest organisiert, das zur Finanzierung eines Konzerts im November dienen soll. Also musste ich Luis ab 20 Uhr ebenfalls im Stich lassen (Ich ließ ihn mit einer DVD mit „Den Unglaublichen“ zurück), um im Laufe des Abends 120 Liter Bier durch den Zapfhahn rinnen zu lassen. Diesen Traumjob hätte ich aber gerne gegen einen behaglichen Abend daheim eingetauscht. Allerdings hat es mich als ungelernten Wirt gefreut, das über den Verkauf an Bier an die einschlägigen Ippendorfer Suffnasen ein Gutteil des Konzertetats gedeckt werden konnte.

Nach kurzer Nacht und einem einstündigen Aufräumen mit anschließendem Kirchgang mit Luis begann mein Bonsaiwochenende, also die Zeit der Erholung am Sonntag um 12 Uhr, yeah.

Am Samstag (kurz nach dem erschütterndem Schulfest) hatte ich noch die Kraft aufgebracht, Luis einen Tacho an sein zum Geburtstag bekommenes Radel anzubringen. Frisch gestärkt mit einem Spiegelei und einem Mändelchenpudding (Lob der häuslichen Küche, genossen an einem Tisch [nicht stehend auf dem Schulhof] und mit echtem Besteck [anstelle der Standardplastikbesteckvarianten, die die negative Ökobilanz eines Schulfestes locker über das Niveau eines südeuropäischen Rastplatzes bringen] ging es los. Luis hatte sich in mehreren Fahrten am Berg und ums Haus mit der Gangschaltung vertraut gemacht.

Also ab in den Wald. Es war erstaunlich leer, denn deutschlandweit fanden ja irgendwo wieder Kommunionen und Konfirmationen statt, und so fand sich ein junges Elternpublikum und Senioren im Wald zur körperlichen und geistigen Erbauung zusammen. Wir konnten es rollen lassen. Luis war begeistert vorwärts zu kommen. Leider zog sich das Wetter wieder zu, damit die Stimmung nicht zu übermütig würde, aber Luis meinte, er sei ja schließlich nicht aus Zucker und wir näherten uns dem Fernsehturm, den wir von unserem Wohnzimmer sehen können in einer dunklen, regnerischen und windigen Stimmung. Als Doping noch Überbleibsel von der montäglichen Geburtstagsparty, Gummibärchen und Rittersportminiblaubeerjogurth, hmmmh, lecker. Endspurt zum Bahnhof Kottenforst, der fest in der Hand von Radlern und Inlineskatern war, die sich unter den Sonnenschirmen zusammenkauern mussten. Luis entschied sich nach längerer Überlegung an der übersichtlichen Eistruhe für ein „Bum Bum“ (so hieß früher bei uns ein Tennisspieler mit Vornamen), ich für einen Cappuccino, mit der man den Spruch „Kaffeedraußennurimkännchen“ umgehen kann. Das wärmte von innen, denn die kalten Böen ließen erschauern und hätte nur hartgesottene Biergartenfans auf den Gedanken gebracht hier mit Halben Hendl und einer Maß zu reüssieren, da war die Stimmung schon eher nach Weihnachtsbier, das ich mir im nächsten Jahr für den Fall der Fälle in ausreichender Bevorratung besorgen werden, um auf die Sommerwinter vorbereitet zu sein.

Aber dann klarte es auf. Die Sonne kam wieder hervor und Luis Tacho sprang auf sensationelle 22 Grad, wer hätte das gedacht, gefühlt waren es allenfalls 12, 2 unter meinem Winterfließ. Erinnerungsfoto ohne Hirschgeweih am Jägerhäuschen. Und dann ging es auf den wunderschön graden Wegen, die ich im Winter auch bei Vollmond gefahrlos im dunkelsten Morgen abjoggen kann wieder Richtung Heimat.


Was liegt noch vor uns? Wahrscheinlich nichts. Wir haben noch die Option, uns die Unglaublichen auf Türkisch oder Italienisch anzusehen oder paar Extraszenen zu begutachten. Dann gibt es noch herrliche Frikadellen vom Tanzfest, die ich für mein erfolgreiches Leerzapfen von 6 20l-Fässern Kölsch bekommen habe (Den durchschnittlichen Prokopfverbrauch möchte ich mit Rücksucht auf den sicher anzunehmenden Drogenmissbrauch eines harten Kerns Kampftrinkers aus der Ippendorfer Faktotumszene besser nur andenken, aber es galt ja höhere Zielen, unserem Konzert im November und ich habe Zweifel, ob nicht manche nach dem Kontakt mit der frischen Luft am Ende der Veranstaltung manches gleich wieder loswurden, aber das ist auch ein anderes Thema).

Alles in alle, also trotz der Kürze ein ganz amüsantes Wochenende mit klitzekleinen Erholungselementen.

Es grüßt Euch von der Ippendorfer Scholle


Euer Markus und Luis