Bochum, Ruhruni - Als der liebe Gott das Ruhrgebiet erschuf.

Als der liebe Gott das Ruhrgebiet erschuf, hatte er noch nicht an die Studenten gedacht. 1965 eröffnete man dann die Ruhruniversität in Bochum, indem man eine überflüssige Autobahnabfahrt in eine Ansammlung hässlicher Langbauten leitete. Dann lockte man unter irgendwelchen windigen Versprechen junge Menschen aus dieser bildungsfernen Gegend dorthin und garnierte die Bildungsenklave mit dienstbaren Geistern aus der Region, die Kaffee kochten und Schnittchen für die Studenten schmierten. Heraus kam eine Malocheruni, wie es sie in Deutschland nur einmal gibt.

Zur Antrittsvorlesung meiner Autorin Tatjana Hörnle hatte ich Gelegenheit diese Bildungsstatt im Echtzeitbetrieb zu erleben. Die U-Bahnstation Ruhruniversität schaufelt die Studenten auf eine imposante, einen Ruhrschnellweg überspannende, Brücke mitten ins Herz des angejährten Campus. Die in die Jahre gekommene Architektur wurde an diesem Tag von der milden Schneedecke und einer warmen Wintersonnenbeleuchtung abgemildert. Aber kein Zweifel, Beton hält keine 1000 Jahre, eher nur zehn. In einem so genannten Campuszelt sind die Post und ein Copyshop untergebracht. In einer Art Flur mit Arbeitsamtsoptik findet man die Cafeteria. Ich stelle mich für eine Cola und ein Mandelmars an, das mir anstandslos ausgehändigt wurde. Um mich sitzen Studenten, um ihre juristischen Arbeiten zu diskutierten. Da ruft eine schneidende Stimme FEIEEEERAAAAABENND. Huch, ich schaue auf die Uhr, 16.30 Uhr, da werden doch nicht die anwesenden Studies gemeint sein, sondern nur das Personal des Schichtwechsels begrüßt. Pustekuchen, sie meinen es ernst! Systematisch wird das Arbeitsamt, äääh Uni, von Studenten befreit. Bitte, schön aufhören zu denken, jetzt ist Schicht, der Steiger kommt! Ich schaue mich um, die Studenten, die noch eben alle Tische bevölkerten sind weg, sie haben es zur Meisterschaft im Spurtdenken gebracht. Bis 16.29 Uhr laufen sie Hochtouren, dann haben Sie in zwanzig Sekunden ihre Aralbonusrucksäcke von Voelkl gepackt und sich vom Acker gemacht. Ich trolle mich ins Freie. Auch die mobile Dönerbude neben der Mensa packt zusammen. Innerhalb kurzer Zeit ist die Uni menschenleer.

Ich habe den Verdacht, dass hier das Studium im Nebenjob betrieben wird, im Hauptberuf fahren die Studenten noch in den Schacht ein oder arbeiten bei Schlecker oder der Bogestra.

Zur Antrittsvorlesung meiner Autorin kamen dann auch kaum Studenten, die mussten ja arbeiten, sondern Wegefährten, aus anderen Teilen Deutschlands.

Durch den kalten Waschbeton pfeift der Wind Grönemeyers "Bochumichkommausdir". Und so gesehen ist Bochum der wahr gewordene Chancengleicheitssozialistentraum, eine Schleckerkassiererin mit Physicum, erworben an Deutschland einziger Malocheruni. Gut gemacht, lieber Gott! Ginge es der Welt nicht besser mit mehr Bochums?

Im IC nach Bonn, 26.01.2006, 21.30 Uhr