Lesereise nach Hamburg

Freitag, 5. Mai 2006 08:06
An: T
Betreff: Lesereise nach Hamburg

Das juristische Seminar der Universität Hamburg ist ein moderner, mit heiterer bunterer Glasfassade versehene, Bau. Auf verschiedenen, offenen Ebenen stehen den Studikern moderne Arbeitsplätze zur Verfügung, die ihnen schon einen treffenden Vorgeschmack an ihre künftigen informationsreichen Arbeitsplätze vermitteln. Notebook, Mobiltelefon oder PDA gehören zur selbstverständlichen Ausstattung. Umso erstaunlicher, dass an einem ungewöhnlich frühsommerlichen Bilderbuchabend die juristische Fachbuchhandlung Mauke weit über 50 Studenten zu einer abendlichen Lesung in seine Buchhandlung gewinnen konnte. In der eine handwerkliche Technik ohne Einsatz elektronischer Kleinwerkzeuge demonstriert wurde (Dass sie tatsächlich gekommem sind und nicht an die Ostsee gefahren sind, scheint für das Thema zu sprechen, sagte Buchändlerin Andrea de Groot zu Beginn meines Vortrages).

Wie man mit der komplexen Materie Recht umgeht, das bewegte tatsächich die Studenten verschiedenster Semester. In kurzem Worten und mit Flipchart (einer Art Riesenschreibblock auf einem Stativ) erklärte ich die Technik des Mind Mappings an einem einfachen Beispiel. Als Navigationssystem fürs Gehirn war es am wohl am treffensten im Jargon der Zeit ausgedrückt. Von dem Moment folgten die jungen Juristen, begleitet von skeptischen Zwischenfragen, etwa, wie man vier Seiten Mitschriften ohne Steno auf ein Blatt bekäme. Naja, diese Einwände kenne ich natürlich, aber mittlerweile enden sie damit, dass ich ihn anhand einer Skizze zeige, dass auch "Der Dreißigjährige Krieg" recht übersichtlich auf ein Papier gebracht werden könne. Das sind die Momente, wo solche Veranstaltungen in Fahrt kommen und ich mir vorkomme, so wie ein Verkaufsvirtuose in der Fußgängerzone, der fingerfertig den Allesraspler für Obst und Gemüse präsentiert und blütengleich geschnitzte Radieschen hervorzaubert, woraufhin das Publikum nicht nur den Raspler, sondern auch ("Nur heute, meinedamenundherren") eine prallgefüllte Tüte mit Schneidbrettchen und Entsafter nach Hause trägt, der Fußgängerzonenimpressario dafür eine Tüte Geld.

So war es auch am Ende des dreiviertelstündigen Vortrages. Mit Verweisen auf ein paar weiterführende Beispiele im Buch gingen die meisten Besucher mit meinem kleinen Bändchen (Frau de Groot strahlte) nach Hause und haben es vielleicht, wie ich ihnen vorgeschlagen habe, das Mind Mapping gleich auf dem Bierdeckel ihres Alsterwassers ausprobiert.

Ich hingegen legte den "Edding" aus der Hand und ging mit Theas Hamburger Studienfreundin Gislinde (die im Verlauf des Vortrages auch ib die Buchhandlung gekommen war) auf ein paar Drinks in eine nahgelegene Bar und genossen auf Polstern auf einer Steinterasse einer weißen Bürgervilla unter norddeutschen Menschen den zweiten lauen Abend, den die Republik in ihrem Endloswinter erlebte. Das Glück für mich war vollkommen, als wir spontan zu einer Feier der Bar eingeladen wurden, die zur Begrüßung ebenjener raren lauen Lüfte auf zwei einfachen Grills Berge von Leckereien zubereiteten. Manchmal gibt es so Tage...

Es war spät und immer noch lau, als ich meinen Koffer ratternd über den kopfsteinbeflasterten Gänsemarkt zog. Morgen ist ein anderer Tag, da wird nach 190 Jahren Heymanns begraben. Die Abteilungsleiter des alten Unternehmens werden heute vor einer Betriebsversammlung über die nächsten Schritte informiert. Ich bin gespannt auf die Vorträge, jetzt bin ich Zuhörer und hoffe auf ermutigende Aussichten und nach vielen Jahren der kriselnden Anspannung auf wieder entspannte Biere nach der Arbeit.

Der Bahnsprinter gleitet an sattgrünen Feldern vorbei, Windräder paddeln eifrig vor einem makellosen Himmel. Es wird schon gutgehen, soll das wohl sagen. Erquickt, motiviert beginne ich heute also das Neue.

Zwischen Hamburg und Bremen aus ICE-Sprinter



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