Flipflops im Grenzbereich - La Madrague Juli 2006

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Gesendet: Freitag, 21. Juli 2006 14:37
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Betreff: Flipflops im Grenzbereich - La Madrague Juli 2006

die südfranzösiche Küste ist nicht gerade bekannt für feinsandige, menschenverlassene Strände. Eher denkt man an ein Nebeneinander a la Monaco mit Meer, Kurvenbeauties, bollidenbedröhnten Asphaltbändern und bewirtschaftete Strandschirmabschnitte. Die Cote d' Azur der Gegend um La Madrague allerdings überraschte mit einer gänzlich neuen Stranderfahrung. Und das kam so. Mit dem Schiff befuhren wir im unvermeidlichen Touristentreck die Calanques. Das sind eine Art Fjorde, die sich über einen Küstenabschnitt von 20 km von Cassis bis Marseille erstrecken und Augen und Sinnen ein ungeahntes Naturerlebnis bescheren. Türkisblaues Wasser, steil nach oben ragende Kalkfelsen, die gegen Ende in sanfte Buchten auslaufen. Dass diese aber nur von ganz wenigen Menschen bevölkert werden, liegt einzig daran, dass diese nur über abenteuerliche, alpine Wege zu erreichen sind. Und damit scheiden die beflipfloppten, Kühlboxentragenden und die üblichen Strandzerstreuungsspielgerätemitführer aus. Dachte ich wenigstens. Da wir auch nicht über ein vor La Madrague liegendes Boot verfügten, machten wir uns an einem frühen Morgen auf und reihten uns in den täglichen Calanquewandertross ein, die überwiegende Zahl mit schwerem Schuhwerk und berucksackt.

Zugang zu den Felsenfjorden gibt es nur bis 11, danach je nach Brandgefahr reglementiert und von Naturschutzgebietsrangern freundlich und hilfsbereit überwacht.

Also auch für uns, frischauf, der Berg ruft, mit Wasserflaschen, geschmierten Baguettes erklommen wir mit den Kindern felsige Bergpfade. Die glattglänzenden abgewetzten Felsen nahmen einem freiluch gleich die Illusion, das wir eine winzige Minderheit seien, die sich dieser Strapaze aussetzen würde. Aber unsere Kinder, die das bergsteigerische allenfalls im Namen tragen (Trenkerluis) oder in der TV-Doku gesehen haben, war dies eine neue Erfahrung. Eingedenk der üblichen Ferienmeldungen, "Berliner Familie in Adiletten aus der Eigernordwand gerettet", hatten wir die Kinder und uns selbst mit dem erforderliche Rüstzeug ausgestattet, um die einstündige Klettertour zu übernehmen Und den Weg unter den Füßen war auch klar, dass eine großes Erstehilfeset, vielleicht auch eine Pistole mit Signalmunition keine schlechte Ausstatung wäre. Aber wie eine Fatamorgana kannuns am steilsten und glitschigsten Stück eine Franzosenfamilie in Flipflops, Kühlbox und Kind auf dem Arm den Abhang runtergestochert. Am Handy wurden zugleich noch ein paar Dispositionen für den Abend getroffen. Mein Erstaunen wäre nicht geringer gewesen, wenn ich nach erfolgreicher atemmaskenlosen Erkletterung des Mounteverest dort schon eine heitere Franzosenrunde nach der ersten geleerte Roséflasche angetroffen hätte.

Naja, unten in der Calanque angekommen, entfalteten sie noch allerlei buntes Strandinventar...

Luis am Ziel war allerdings ziemlich ratlos: er verstehe garnichts, und was man hier denn solle, dafür die ganze Anstrengung und dann noch nicht mal eine Eisbude. In jedem Fall ging es in der Calanque sehr französich zu. Ein milder Wind und wirklich türkises Wasser, schräg gegen das Wasser laufende Steinterassen und auf dem Rücken im Wasser liegend eine imposante garnicht bedrohlich wirkende Kathedrale aus Stein. Hier und da noch Hafenanlagen der Römer, die diese natürlichen Buchten natürlich auch schon für sich zu nutzen wussten. Thea und Kim erklommen dann noch das Plateau der Calanque für eine grandiose Sicht aufs Meer, die Kim ausrufen ließ, "ich bin der König!".

Zurück bei seinem Fußvolk galt es die desillusionierte Jugend wieder die Wand hochzubitten in der vagen Aussicht, doch noch wie Moses in der Wüste einen Felsen mit zischender Cola zu finden. Naja, klappte dann tatsächlich, denn am. Küstenfernwanderweg sind in regelmäßigen Abständen kleine Bretterbuden mit Erfrischungen zu Monopolpreisen anzutreffen. Doch statt mit dem Stock wie in der Bibel funktionierte das nur mit dem Geldbeutel. Aber nie schmeckte die Orangina, die Cola oder der Eistee köstlicher.

Zurück im Auto über die "Route de Crete", einer der grandoiosesten Autostraßen, die ich befuhr auf bis zu 400 Metern hohen Klippen mit wunderschönen Aussichten auf Meer und die grüne Provence. (Da schicke ich Euch demnächst mal eine Googleearthansicht)

Überhaupt war das satte Grün der Weinfelder, der Gebirgskämme, die zur Meerseite schroff und zum Landesinnern sanft abfielen, ein hervorstechendes Merkmal dieser Gegend.

In der kleinen Bergstadt La Cadiere fanden Thea schon früh eine wunderbare Bar. Gestern besuchten wir sie zum letzten Male, während die Kinder durch die Gassen streiften und vor der Mairie mit einem kleinen Franzosenjungen Eier, Butter, Milch spielten in der Sprache, in der sich Kinder in aller Welt verstehen,dem Lachen, Imitieren und Mittun. Wir zahlten unseren letzten Rosé und das Eis der Kinder, fuhren durch die gewundenen Straßen an der alten Ölmühle vorbei.

In Gedanken noch waren wir beim Sonnenuntergang, den wir in 400 Metern Meerehöhe auf dem Bergfried der Kapelle von Beausset Vieux erlebt hatten und uns einen Blick auf unsere gesamte Welt der letzten drei Wochen geboten hatte.

Drei Wochen, die aber auch einfach profane Erholung boten, packende Tennismatches mit Jürgen, Trainerstunden mit Kim, Boulerunden am Abend und einem zunehmend entspannteren Tagesablauf zwischen Meer, Wasserpolo und Tourdefranceübertragungen.

Natürlich haben wir auch die diversen Familienschlachtfelder mitgenommen. Widerwillig erfüllte Arbeitsdienste und das übliche Sachenchaos, aber natürlich auch all das Schöne das die Kinder mitbringen, Ihre Kontaktbereitschaft, Luis, der sich fast in de Nähe des goldenen Schwimmabzeichens gepaddelt hat, Kim, der keine Sportveranstaltung ausgelassen hat und sich in drei Wochen mit Jungs und Mädels der Hapimagkernnationen Deutschland, Schweiz und Niederlande sozialisiert hat und Ella, die bestimmt die meisten Freundschaften geschlossen hat und zur festen Assistentin der Kinderanimateurin Julia wurde.

Thea und ich genossen die Zeit auf einer Art Privatfelsen im Meer, der zuletzt von einem einheimischen Fischer annektiert wurde und uns wundervolle private Momente bescherte.

Die Bücherseitenbilanz war prima. In der zweiten Woche sorgte Jürgens Besuch nicht nur für willkommene Abwechslung, sondern unvergessene Abende bei exquisiten Weinen und leichter provençalischer Kost. Nebst endlosen Geschichten aus der Welt eines karrieremachenden Meßdienerleiters, der viele philosophische und profane Fragen zu bewegen weiß und unseren Kindern wunderbare Zeiten in"Jogis Kinderpension" in Aussicht stellte.

Das sanfte Licht Arles', das sich in den Hinterlassenschaften der Römer verlor und den Reiz auf die Maler vergangener Epochen spürbar werden ließ, gehört zu den ebenfalls in Erinnerung bleibenden Eindrücken.

Kims Flipflops sind nach dreiwöchigem Dauereinsatz am Pool, Strand, Volleyball sichtbar am Ende Ihrer Haltbarkeit. In Frankreich wären sie immer noch prädestiniert für eine mehrtägige Calanqueerwanderung, bei uns werden Sie wohl bald die gelbe Tonne finden. Die drei Wochen von La Madrague freilich werden für die Alltagswanderungen daheim als Ausstattung für jedes Terrain bleiben.

Viele Grüße aus Südfrankreich sende Euch T, M, K, L und E