Heidelberg unter der UNESCO-Käseglocke?!












Deutschlands Zugstreckenklassiker Mainz-Koblenz liegt seit paar Jahren abseits der Hochgeschwindgkeitsmagistralen. Umso schöner ist das Wiedersehen von Zeit zu Zeit. Was hat sich getan nach all den Jahren?

Die Mainzer haben einen grundrenovierten Bahnhof, kurz hinter der südlichen Tunnelausfahrt nach dem Bahnhof wurde ein römisches Theater freigelegt. Die vielen Eisenbahnerschrebergärten zwischen dem Schienennetzen tragen noch die Beflaggung aus dem letztjährigen Sommermärchen, zeigen sich aber ansonsten von aktuellen Baumarktmoden verschont. In Bingen flattern Sonnenschirmchen, zwischen Rhein und Schiene gedrängt, erwartungsvoll feierfreudigen Wochenendgruppen entgegen. Das Niederwalddenkmal oberhalb von Rüdesheim thront stolz an den grünen Hängen des Rheingaus. Die weiße Flotte der Bingen-Rüdesheimer fährt noch mager besetzt über den Strom. Eine gut instruierte Touristengruppe zückt pünktlich bei Rheinkilometer 554 die Digitalkamera, um dem Mythos Loreley aufzuspüren. Rechtsrheinisch verschwindet ein endlos langer Güterzug in der zinnenbekränzten Tunneleinfahrt. Vor Koblenz trutzt trotzig der Atommeiler Kärlich. Um einen kunstvollen Kiosk der Kaiserzeit funktionsbekleidete Bestager mit stolzen Tourenräder bei der Trinkpause. An einen kleinen Sandstrand ein junges Paar, auf den Fluß blickend. In Ufernähe eine Gruppe von vier Paddlern stromabwärts gleitend. Die Niederheimbacher Autofähre setzt mit einem Fahrzeug an Bord zum anderen Ufer hinüber. In Bacharach erinnern Häuser und Fassaden an eine reiche Sekttradition und an die Zeit als sie das Rückgrat der deutschen Kriegsflottenproduktion bildeten. Nun wird nur noch die Uferstraße erneuert. Die Burg Kaub schaut playmobilhaft von oben auf Rhein und Landschaft. Noch immer ist die Landschaft schön und in diesem Teil noch nicht unesco-geschützt.

In Heidelberg hingegen, dessen Gesamtesemble mit Schloß, Stadt, Neckar und Landschaft aus Laiensicht über jeden ästhetischen Zweifel erhaben ist, beklagte man am Mittwoch das abschlägige Votum der Unesco zum Weltkulturerbestatus. Meinetwegen, Heidelberg ist auch so schön und hat auch in den 21 Jahren, nachdem ich es verlassen habe, nicht an Ansehnlichkeit eingebüßt. Die Weststadt zeigte noch die Fassaden der Gründerzeit und selbst inzwischen überholte Emaillegeschäftsschilder werden von den Nachmietern genutzt. Eine von Moden freie Stadtmöblierung und Beschilderung wäre an sich weltkulturerbwürdig.

Am und auf dem Neckar die gelenkten Verkehrsströme der Binnenpendler und -schiffer, lief alles auch alles gepflegt weltkulturerbmäßig. Die gewaltigen Doppeldecker aus Ipswich und Monza wurden am Ortseingang von einem mit Kennkarte versehenen Nebenjobler abgefischt und mit Parkkarte versorgt, während die Fahrgäste als Schlange formiert dem hochgereckten Schirm folgten.

Der Neckar öffnet sich zum Rhein in einer weiten Landschaft, in der man bei gutem Wetter - igitt würde die Unesco sagen- die Doppelatomkraftwerkstürme von Biblis sehen kann.

Ach, wie gut, denke ich, dass die Unesco-Weltkulturerbeabteilung wahrscheinlich so ein Beamtenhaufen ist, die die Delegationen vermutlich in einem klimakillenden klimatisierten Bürogebäude in Durban empfängt und demnächst Disneyland wegen seiner Authentizität unter die UN-zerifizierte Käseglocke stellen lässt. Nein, lieber keine Käseglocke und frische Luft. Und wenn es regnet, dann regnet es.

Ja, wahrscheinlich ist es deshalb so schön an Rhein und Neckar!