Zwischen Raps, Rotwein... Radtour mit Luis an die Ahr


April 2007 Radtour Luis an die Ahr

Mit Luis per Rad von Ippendorf nach Altenahr

Dem Ahrtal geht neben seinen bekannten Weinlagen der Ruf voraus, Sammelbecken für Kegelclubs, Rotweinwanderwegwanderer, bunt zusammengewürfelten Butterfahrttouristen, betagten Landfrauenverbänden und abenteuerlustigen Männern zu sein. Aber, für das milde Klima, das im ab Bad Neuenahr immer enger werdenden Tal herrscht, kann die schöne Landschaft nicht, die schon früh von den Römern für den Weinbau entdeckt worden ist. Ein Jammer eigentlich, das wir außer zu kleinen Stippvisiten, dieser Gegend noch keine Aufwartung gemacht hatten. Am letzten Apriltag machte ich mich mit Luis bei herrlichsten Wetter per Rad auf den Weg zur Ahr. Durch den saftig grünen Kottenforst ging es über die zunächst asphaltierten Wege am Jägerhäuschen vorbei Richtung Adendorf. Der alte Töpferort lockt auch regelmäßig schon Busgruppen auf dem Weg zur Ahr oder in die Eifel zum Kauf von irdenen Waren an. Lustige Gurkenfässchen wechseln dort ihre Besitzer. Im Ort zweigt die Straße über ein wellige Landschaft nach Eckendorf. Auf der Anhöhe eine Kastanie mit Bilderstock und Ruhebänken, von der sich der Blick auf die Grafschafter Landschaft öffnet. Eine Gruppe von Amateurfahrerinnen nebst Trainer und Begleitfahrzeug des Team Telekom überholt uns zügig und verschwindet zwischen den gelben Rapsfeldern. Der Wind bläst angenehm entgegen und ich gebe Luis als Vorausfahrender Windschatten. Die Räder rollen. In der Entfernung schräg voraus rauschen die Lastverkehrsströme über die A 61. Wenig später überqueren wir diese Verkehrsaterie und tauchen nun ein mit deutlichen Wellenbergen durchzogene Terrain nach Vettelhoven. Die Straße windet sich erst an einer imposanten hochstrebenden Ziegelkirche, dann um ein Schloss herum, dass wie ein vergangener Zuckerbäckertraum in einem weitläufigem Gelände den Ort beherrscht. Es heißt, dass dort nur noch Filme gedreht werden und in irgendeiner Gutsbesitzer-Soap werden wir Park und Räumlichkeiten vielleicht schon bewundert haben. Eine kleine Steigung noch. Am Ackerrain ein kleiner Bilderstock mit einfacher Madonna und aufgemalten Rosenkranz, geschützt von zwei Eichen. Kleine Rast, in der Entfernung ahnen wir schon die Einschnitte des Ahrtales. In kleiner Schussfahrt fahren wir nach Esch. Wieder eine Backsteinkirche, deren Portal mit einer goldenen 50 geschmückt auf die Feier einer Goldhochzeit hinweist. Das danebenliegenden Schützenheim ist beflaggt und die Vorbereitungen für das an den Gottesdienst anschließende Fest laufen. Schützen in Uniform, die Fachwerkhäuser fachgerecht renoviert leuchten mit ockerfarbener Fröhlichkeit. Ein letzter kleiner Anstieg, dann stehen wir am Scheitelpunkt, von dem eine herrliche Serpentinenstraße hinunter nach Dernau führt. Luis’ ist gedanklich bei der Tour de France angekommen. Rasende Abfahrten und quälende Aufstiege durch ein Fahnenmeer wecken die Erinnerungen an schattige Sommernachmittage mit Tourdefranceübertragungen. Und nun selbst hinab. Die ersten Meter sind wie Fliegen ins Tal. Die Weinberge links und rechts steil aufragend, unten verschwindend klein Häuser, Straßen, Bahnstrecke und Ahr, die sich im Tal aneinander schmiegen. Im Tal eher Ernüchterung. Lieblose Architektur und eine öde Bundesstraße. Aber direkt am Bahnhof zum Glück ein geteerter Radweg entlang der Bahnstrecke. Hier unten im Tal ist die Luft angenehm samtig. In den Wingerten vereinzelt Winzer mit Bodenarbeiten, auf dem Radweg tröpfeln uns kleine Gruppen Genussradler auf fein ausgestatteten Tourenrädern entgegen, ausnahmslos entspannte Gesichter an diesem schwerelosen Tag. In Rech weist uns das Radwegzeichen Richtung Rotweinwanderweg. Bunte Wimpel, Fahnen und mit fetter weißer Kreide beschriebene Tafeln laden zur Einkehr im alten Bahnhof. Luis lockt das Standardangebot aus dem Langnesesortiment, die Eiskiste ist am Beginn der Woche noch mit allen sieben Kostbarkeiten gut gefüllt. Die Speisekarte bietet den klassischen deutschen Kapputschieno, also Kaffe mit Schlagsahnenhaube und Kakaopulver bestreut an. Her damit! Er wird mit passender Weise in einem Glühweinbecher kredenzt und lange habe ich nicht mehr so etwas leckerer Altmodisches getrunken. Der eiskalte Sahneberg muss mit der Nase erst einmal durchstoßen werden um den Zugang zum köstlich und mit Liebe gebrühten Filterkaffee freizugeben. An diesem klimaneutralen Ausflugstag erinnert dieser Gegensatz aus schmelzenden Eisbergsahnen und Kaffeeerderwärmung doch daran, dass wir demnächst unser Freizeitglück in der Nähe suchen sollten, statt vom Hunsrück aus mit Ryanair nach Oklahoma katapultieren zu lassen. Gestärkt jedenfalls ging es auf einem wunderschönen kleinen Schotterfahrt an dem einspurigen Schienenband links und den Weinhängen rechts Richtung Mayschloss. Als der Weg sich von der Straße entfernte und getreu der Eisenbahnroute folgte und noch dazu durch einen Paralleltunnel zur Eisenbahn führte, kannte Luis’ und meine Freude kaum Grenzen. Aus der Tunneldunkelheit tretend, konnten wir durchs klare Wasser der Ahr bis auf den Grund schauen und als Nichtpetrijünger schätze ich mal, dass es nach Forelle roch. Gewunden ging es an ein paar Rotweinlagen im Talgrund ehe wir uns Altenahr näherten. An der Ahrschleife folgten wir zur Abwechslung dem Wanderwege. Doch die Route über Stock und Stein forderte dann ein Reifenopfer bei mir. Seit Jahren hatte ich die Aldifahrradnotfalltasche wie ein bejahrtes Erstehilfekissen zur Gewissensberuhigung in meine Radeltasche gestopft. Doch mit Schraubknochen und beiliegenden Reifenhebern war der Schlauchtausch im Nu erledigt und trug uns die Hochachtung einer uns passierenden Beueler Wandergruppe ein, die zuletzt ratlos ihr Pannenrad bis zum nächsten Bahnhof schieben mussten und offenbar auf Wandern umgesattelt hatten. Auch in Ahrweiler rüstete man für den Tanz in den Mai. Die üblichen fähnchengeschmückten Bitburger Bierinseln verteilten sich über den Ort, einige bunte T-Shirtgruppen orientierte sich nach passenden Maitanzlustbarkeiten, grellbunte Junggesellenfestankündigungen erheischten Aufmerksamkeit und schienen den Anwesenden ungebundenen Menschen das Tor zum dauernden Lebensglück zu Zweit öffnen zu wollen.

Die Regionalbahn von Ahrbrück nach Bonn kam so schnell, dass wir nur eine Fahrradzusatzkarte lösen konnten und dann für die weiteren Tickets im Zug eine Viertelstunde benötigten, ehe die komplizierten Tariffragen im Bildschirmmenü geklärt waren. Im Zugtempo ging es an der eben abgefahrenen Route vorbei zurück nach Bonn. In Altenahr öffnete sich das Ahrtal, der nahe Rhein war zu erahnen. In Remagen füllte sich der Zug mit den ersten Berufspendlern. Am Bonner Hauptbahnhof bestiegen wir unsere Drahtesel zur letzten Steigung durchs Melbtal. Thea hatte Luis als Etappenziellohn frische Kirschmuffins angekündigt. Und so begrüßte sie uns unterm Quittenbaum, wo sich die Sonne ein paar Ritzen durch das dichte Laubwerk gesucht hatte und den Sonnenpunkte aufs Holz zeichnete. Es folgte, noch verschwitzt, der Siegerkuss an die verschwitzten Pedaleure und die Überreichung des authentischsten Lattemacchiato nördlich des Ahrtales und die köstlichsten Kirschmuffins im außerangelsächsischen Raum durch Thea. So trotzen wir dem Klimawandel.


30.04.2007