Das Prinzip Party


Früher hießen Partys Fêten und fanden in abgedunkelten Hobbyräumen pünktlich samstags um 15.30 Uhr statt. Mitgebracht wurden Chips und Flips, für die Getränke, die selbstverständlich nicht alkoholischer Natur waren, sorgte der Gastgeber. Man scharte sich um eine mehr oder weniger leistungsfähige Anlage, die vorsorglich noch mit einem Kaltluftpropeller am Leben erhalten wurde. Ein Teil der anwesenden Jungen suchten den Vater des Gastgebers auf, um gegen Viertel nach Fünf die Bundesligaergebnisse zu erfragen. Dann gab es auf den etwas anspruchsvolleren Veranstaltungen noch ein wärmendes Gericht, wobei man sich damals auch noch mit der Knackwurst zufriedengab, die man altersgemäß zum Hotdog hochjubelte.

Dann begann die F
ête im engeren Sinn, d.h. Lichter wurden gedimmt oder durch die damals modischen sogenannten Lichtorgeln ersetzt, die zum Rhythmus der Musik ampellustig blinkten. Ab den späten 1970er wurden sie durch unter der Decke sich drehende Discokugeln ergänzt, die mit stroboskopischen Licht angestrahlt wurden. Ein wenig Club 66 umwehte uns dann in irgendeinem bergischen Nest-Partykeller, während Barry White "Das Erste, das Letzte, das Alles" besang.





Die ersten Pärchen gab es schon. Die fanden schnell auch eine Knutschecke, nicht selten ein geöffnetes Fenster hinter dem sich erste Zärtlichkeiten diskret tauschen ließen. Die meisten von uns jedoch waren partnerlos und da man den Kreis der Eingeladenen allenfalls auf Mitschüler der Parallelklassen ausdehnte, hatten die Mädchen in der nachmittäglichen Bundesligaergebnisdienstauszeit der Jungs eine Grobverteilung für die erste "Klanmmerbluesrunde" ersonnen. Klammerblues war das erste Mal, das ich ein nicht familiäres Wesen im unmittelbaren Körperkontakt spürte. Da ich damals in der Klasse der Längste war, hatte man mir das damals längste Mädchen, Olivia mit Namen, zugewiesen. Wir blieben Klammerbluspartner in den Jahren 1977 - 1979, ohne dass sich daraus nach dem Klammerbluesabschnitt der Party eine noch so winzige Beziehung entwickelte.

Aber auf den ungefähr 30 Fêten dieser Ära fanden wir nach Abdunkeln ordnungsgemäß immer zusammen.
Die Partys waren schön und für mich als Einzigen um Viertel vor Zehn zu Ende, denn um Zehn musste ich zu Hause sein. Das war ein Grund dafür, dass ich bei meiner Klammerbluespartnerin blieb, denn neue Allianzen wurden in der Regel zur späteren Stunde geschlossen. Ich hingegen handelte mir im Gegenzug für die pünktliche Heimkehr die Erlaubnis zum vollständigen Konsum des Aktuellensportstudios aus. Freilich an Montagen beim Klassengespräch musste ich feststellen, dass ich die spielentscheidenden Szenen auf den Fêten verpasst hatte und lediglich die Ergebnisse des Wergehtmitwem zur Kenntnis nehmen konnte.

Heute ist das anders. Ich kann bleiben so lange ich will und nach überstandener Kleinkinderphase tauchen im Meer standardisierter Rundgeburtstagsfeierlichkeiten mit Großbuffetlandschaften von der Dimension Architekturmodelle zur Neugestaltung Berlin wieder die kleinen veredelten Hobbyraumpartyversionen auf. Gut, man mietet sich heute eine größere Räumlichkeit, die Schanktechnik und richtig temperierte Rebenprodukte sind dank größerer Finanzkraft auf aktuellem Stand. Aber ansonsten zeigt das Buffet die Leichtigkeit einer Marathonverpflegungsrampe, eher unprätentiös zur schnellen Nahrungsaufnahme zwischen heiteren Gesprächsrunden oder längeren Tanzabschnitten einer Generation, die nicht an Ernährungsmangelerscheinungen leidet. Übersichtlich und transparent zubereitete Salate ohne erläuternde Schildchen, die neuerdings mit eingeklinkter Internetpräsenz des Caterers auf den Anrichten zu stehen pflegen, wetteifern um die Gunst der Gäste.
Für die Musik reicht heute ein Verstärker und ein gut gefüllter iPod, der auch unter der Last 5.000 aufgespielter Lieder nicht erhitzt zusammenbricht. Es ist erstaunlich, wer nach Jahren als Couchpotatoe glücklich wieder aufs Parkett zurückfindet und mit der Frau des Gastgebers einen Paso doble aus dem Fußgelenk zaubert. Eine, ebenfalls heute leicht realisierbare Diashow projiziert Bilder aus dem Leben des Jubilars an eine Partyraumecke und bietet Gesprächsaufhänger. Der alte Gloria Gaynor'sche Emanzipationssong "I will survive" ist da längst zur Hymne der Partywiedererwecker geworden, die zur nächtlicher Stunde aus vielen Kehlen von der Terasse der angemieteten Partystatt in die nächtliche Stille aufsteigt. Und oben am Himmel funkelt ein Satellit zurück, so wie früher unsere Fêten-Discokugel.