Zugtrödeln wie Budda


Schon zu hause auf der elektronischen Anzeigetafel der Bahn im Netz war der Zug eine Stunde vor Eintreffen in Bonn mit 15 Minuten Verspätung annonciert. Das reichte dann, den schon lange in Vergessenheit geratenen Kleidersack etwas gemütlicher durch Bonns gute Untergrund-Stube zu schleppen und sich ausreichend mit Kaltgetränken zu bevorraten. Die Bundesligasonderhefte stapelten sich grellfarbig auf üppigen Stapeln, aufgekratzte Flughafentransfergruppen sortierten sich in den Nahverkehr, Destination Köln/Bonn oder Düsseldorf laut anhängender Wimpel, die einschlägigen Beschaffungskriminellen bettelten um den letzten Euro einer noch zu beschaffenen Fahrkarte, weil......, aber achja die immer gleichen Geschichten.

Auf dem Bahnsteig turnte der alte Bahnsteigansager abenteuerlich durch die englische Sprache und übersetze bei schönsten Sommerwetter spontan den deutschen Ausdruck "Verspätung aufgrund wetterbedingter Störungen" mit ..........dju......tu........................dieläjß..........kooooossssst...................bei.......................ßiwir (wo er das wohl rausgekramt hat?) weßßär kondischnß. Puh, da atmet der Bahnsteig auf, als das geschafft war. Bei der nächsten Durchsage verzichtete er dann aber auf die Nennung des Grundes, obwohl sie ihm sicher lockerer von der Zunge gegangen wäre. Irgendwann, 25 Minuten später, kam der ICE, Modell Erstausstattung 1991, wie ich Kim warnend zurief, denn seine Unterhaltungselektronikakkus waren gerade in die Knie gegangen, aber auf so etwas musste sich ein Eisenbahnwaggonausstatter in den 1990ern nicht einstellen und so konnte ich Kim keine Steckdose i Aussicht stellen. Aber mit zwei Basketballzeitschriften und enggedruckten Beiträgen zur Einkaufspolitik der bevorstehenden NBA-Saison schaute er ganz ernst, während ein wunderschön mild beleuchtetes Rheintal am Fenster vorbeiglitt.

Kurz entdeckte ich die Sonnenschirmchen des Biergarten schräg gegenüber des Drachenfelses, der zur Oase auf der Wüstentour mit Alberto zur Ahr geworden war. Und gleich dachte ich, dass ich inzwischen mit Johannes im vorgerückten Leistungssportalter doch wieder eine Chance zum Gewinn der Tourdefrance hätte, nachdem die führenden Fahrer regelmäßig des Dopings überführt oder verdächtigt werden, während unsereins nur den unauffälligen Alditrinkjogurt zu sich nimmt oder eine epofreie Pappschale Pommes verputzt.

Nun aber fahren wir einem traditionellen Familienfest entgegen, das eher bedeutet, dass man sich behaglich in einen Kreis bekannter Menschen fallen lässt und die schon gewohnte Dauerinformationsaustausch untereinander via Chats und Blogs durch das unverzichtbare direkte Gespräch ersetzt. Daneben schwingt eine ungewisse Erwartung auf einen ungestalteten Ferientag mit Programm mit, der vielleicht eine kleine Überraschung birgt, ein Biergartennbesuch mit klingenden Seideln, einem Äppelwoi auf der lauen Terasse oder ein Vorkosten der mittäglich vorbereiteten Fleischpflanzerl. Aber das wissen wir nicht, während der Zug eilig der europäischen Flugdrehscheibe Ffm entgegeneilt. Die altertümlichen papierenden Reservierungsschildchen über meinem Platt lassen darauf schließen, dass sich hier in Kürze verbrannte Pauschaltouristen mit wuchtigen Trolleys in die Abteile ergießen, während ich bei Alicia Keys musikalisch gepflegten Bronx-R&B-Musik lausche. Kim verzieht aber sein Gesicht, weil ihm Frau Keys zu sehr jodelt, also so eine Art schwarze Heidi-Musik. Macht nichts, ich habe es schon wieder verdrängt, denn es säuselt gerade so schön, der Zug kann noch ein wenig weitertrödeln und mir den Angriff der prallen Malleurlauber noch ersparen.

Die Sonne scheint schräg ins Abteil, Kim lässt die zweite Zeitschrift sanft im Kopf zergehen und schaut sogar ein wenig feierabendbehaglich.

Achja, Frankfurtfernbahnhof alias Flugplatz ist gerade überstanden. Offenbar hat das Schild "Wir müssen draußen bleiben" gewirkt und eine erschöpfte Gruppe aus Fernost beansprucht die Plätze und die Ruhe eines fahrenden Zengartens lässt uns endgültig und gelassen Aschaffenburg entgegentrödeln. Ommmm.