Meditationshilfe aus dem Pixelbaukasten

Gerhard Richter gehört zweifellos zu den großen deutschen Gegenwartskünstlern. Als Kirchenglasmaler war er bislang nicht bekannt und so war es eine Überraschung, dass das Kölner Domkapitel ihn damit beauftragte, das im Krieg zerstörte südliche Seitenschifffenster zur Papstterasse zu gestalten. Richter fühlte sich so geehrt, dass er auf ein Honorar verzichtete. Am 25. August 2007 wurde das Fenster der Öffentlichkeit vorgestellt und ist seitdem für jedermann zu sehen.

Am 28. August hatte ich abends in Köln zu tun und machte vom Bahnsteig 1 kommend gleich den Umweg durch den Dom. Die Bänke im nördlichen Seitenaltar, gegenüber des neuen Fensters, waren gut gefüllt, vorwiegend von Einheimischen, wie man unschwer aus den Unterhaltungen schließen konnte. Der Augenblick, etwa halb 7 Uhr abends war günstig. Die Sonne schien noch ein wenig seitlich durch das Fenster und ließ es im Restlicht des Tages noch einmal hell aufstrahlen.


Das Fenster ist durch und durch unreligiös! Es besteht innerhalb seiner klaren Gliederung aus zufällig(?!) zusammengesetzten Glasfarbfeldern von ungeheurer Intensität. Kein System, kein Muster ist erkennbar, auch nicht auf den dritten Blick. Auch die vierte Möglichkeit, das Abnehmen der Brille, brachte keine versteckten Botschaften zu Tage.

So schaute ich in ein Glasmonument, das die hellste Stelle des Domes, da wo am meisten Licht das Dunkel des Doms erhellt, in ein funkelndes Farbenspiel verwandelt, das Gläubige wie Ungläubige anzusprechen versteht.

In das Fenster kann man sich - wenn man mag - vertiefen, so als tauche man in die starke Vergrößerung eines Bildes, das sich in seine Pixelpunkte auflöst und zum Elementaren zurückkehrt. Dies allein taugt vermutlich schon als für eine erste, versteckte Botschaft. Das Farbenspiel im ansonsten ja eher mystisch dunklen Dom lädt ein zur Meditation. Die Mantren des Rosenkranzes vermögen vielleicht die Tiefen des Fensterfarbenspiels ein wenig auszuloten, aber auch der gedankenverlorene Blick des Rast suchenden Besuchers.

Das Fenster unterstreicht die Mystik des Domes, weil das Fenster eine tiefergehende Sinnsuche provoziert. Denn dies ist nicht ein abstraktes Farbenspiel zum reinen Dekor, dies ist das Gegenteil der figürlichen Darstellung im Nordfenster. Dieses Fenster zeigt an, „seht her, ich bin anders!“

Ich blieb nur 15 Minuten, länger freilich als ich je vor einem Fenster ausschließlich zugebracht habe.

Die Meinung der Kölner war wie immer kontrovers. Aber der eigentliche Erfolg war ja das große Interesse, die komplette Finanzierung der Kosten von rund 350.000 Euro aus Spenden. Nun saßen Sie an einem gewöhnlichen Werktagabend in den Bänken des nördlichen Seitenschiffs und schauten. „, Fritz, dat ess zoo modern.“ „Och Marita, wat du ävver häss. De ahle Teppich moot eruss, dann stööt och dat Finster nit miih.“ Auch glatte Zustimmung vernahm ich.

Richters Fenster ist ein Wiedersehensreise in den Kölner Dom wert. Und die theologische Deutung wird mit ein wenig Abstand sicher auch folgen.

M.28.08.2007


Und das meint der Kölner Kardinal Meisner im Kölner Express am 30.08.2007



Köln- Kardinal Meisner
"Dom-Fenster passt besser in eine Moschee!"
Gegenüber EXPRESS äußert sich der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner erstmals zum Streit um das neue Richter-Fenster im Dom
Meisterwerk: Sonnenlicht bricht sich im Weihrauch, wirft Richters 72 Farben in den Dom.
Foto: Wand
Der Streit um das Kölner Domfenster von Kunstweltstar Gerhard Richter (75) geht weiter. „Das Fenster passt nicht in den Dom“, sagte Erzbischof Joachim Kardinal Meisner (73) auf EXPRESS-Nachfrage. „Es passt eher in eine Moschee oder in ein Gebetshaus. Wenn wir schon ein neues Fenster bekommen, dann soll es auch deutlich unseren Glauben widerspiegeln. Und nicht irgendeinen.“

Am letzten Samstag war der Kardinal bereits der feierlichen Einweihung des Fensters ferngeblieben. Offiziell, weil er nach Polen reiste. Doch ein Insider sagte dem EXPRESS: „Er mag einfach dieses Fenster nicht.“