Die konkrete Abstraktheit der Heiligen













Heilige kennt man eigentlich nur noch aus den Monatsplakaten von Fleurop, wo die populärsten Vornamen, wie Heinz und Inge einem bestimmten Tag zugeordnet werden und den Blumengeschäftbesucher animieren sollen, ein Gebinde für den Namensträger zu erwerben. Dass hinter dem Namen eine unter Katholiken als heilig verehrte Person steckt, ist landläufig verlorengegangen.

Heilige dienen den Gläubigen als Fürsprecher bei Gott. Man bedient sich dabei der Vorstellung, dass die Anrufung Gottes über dem Umweg von Menschen aus der Mitte des Lebens einfacher fällt. In Mutter Theresa oder Papst Johannes Paul II hat sich für viele Menschen Gottes Herrlichkeit vorstellbarer verkörpert und Gott über diese Personen anzurufen fällt ihnen leichter als ein "kodifiziertes" Gebet. Eine Pflicht zur Heiligenverehrung gibt es freilich nicht. Und dem Floristen ist es ohnehin gleichgültig, welcher Konfession der Schenkende oder Beschenkte angehört.

Auch der Bonner Stadtdechant weiß, dass es um die Heiligenverehrung bei den Katholiken schlecht steht. Die diesjährige Festwoche zu Ehren der Bonner Stadtpatrone Cassius und Florentius gestaltete man in diesem Jahr auffällig und aufwändiger. Erfahrung hat der Stadtdechant, denn seit Jahren schon kämpft er löwenmutig gegen die voradventliche Eröffnung von Weihnachtsmärkten oder ihre artfremde Beschallung mit unzeitgemäßen Schlagerweisen. Mit vielerlei Aktionen hat er die Münsterkirche in der Innenstadt wieder sichtbar und hörbar gemacht.

So durfte man gespannt sein, ob aus einem kommerzumfluteten Städter im Innern der Basilika ein demütiger Heiligenpilger werden würde. Um es vorweg zu schicken. Mit Cassius und Florentius verbindet mich zunächst auch nichts. Aber ich war neugierig auf diese kleine Pilgerreise.

Der gelenkte Pilgerweg
Das Münster lies sich in dieser Festwoche nur vom Seiteneingang zum Münsterplatz hin betreten. Ein vorgesehener Pilgerweg war mit Seilen links und rechts vorgegeben. Eine Gemeindedame am Eingang reichte ein schön gestaltetes Pilgerbuch. Es nahm Bezug auf Gebetsstationen, die sich mit roten Stelen markiert leicht finden ließen und in 7 Etappen zur Gruft der Heiligen führen sollte.

Das Büchlein ist ansprechend gestaltet. Der Weg der über Weihwasserbecken, Stadtpatrone-Altar, dem Bildnis der hl. Helena, Marienstatue, Vierung und Schrein zur Gruft führt, berührt in den begleitenden Texten verschiedene Lebenssituationen und lädt zum Erinnern und Nachdenken ein. Er setzt den Pilger auch in Bezug zu seiner Stadt und stellt ihn in so in einen größeren Zusammenhang.

Zur cella memoriae
Der Pilgerweg erinnert an die Initiative Einzelner und dem Zusammenwirken glücklicher Umstände, die dieses Erinnern an diese beiden Glaubenszeugen heute möglich machen. Er rückt die Koordinaten, die den heute Verehrten Orientierung gaben in den Mittelpunkt und unter den erst jetzt wieder restaurierten Darstellungen der Köpfe mündet der Pilgerweg zum Schrein mit den Gebeinen.

Cassius und Florentius sollen der Legende nach bei der Christenverfolgung gegen Ende des 3. Jahrhunderts ihr Leben verloren haben. Das Pilgerbuch bedient sich nun bei der vorletzten Station des Weges Texte des im KZ ermordeten Bonner Philosophieprofessors Verweyen. Die abstrakten Stadtheiligen konkretisieren sich in diesem Schicksal

Eine schmale, ausgetretene Treppe führt unmittelbar in den heiligsten Bezirk des Bonner Münsters, der cella memoriae, der geistige Keimzeller aller Münsterkirchen gewesen ist. Die Gruft ist in den übrigen Tagen des Jahres durch zwei massive Metallplatten verschlossen.

Hier unten kann man sich nur hockend aufhalten. Zwei ewige Lichter leuchten für die Stadtpatrone am Ende dieses kleinen "Jakobsweges". Über mir die bauliche Pracht der Münsterbasilika, entstanden aus dieser kleinen jahrhundertealten Gedenkstätte. Berührt bin ich schon, dass das Zeugnis dieser beiden Menschen noch immer fortlebt. Etwas beklommen von Enge und Dunkelheit trete ich ans Licht.

Vor dem Münster "stolpere" ich über die Köpfe der beiden. Sie liegen seit 2002 vor dem Münster, gestaltet von Iskender Yediler. Und es ist klar, sie sind mehr als nur namengewordene Aufforderung zum Blumenkauf.








So kommt man hin:


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