Für eine Handvoll Currywurst




Arktischer Ostwind lies in der Hauptstadt zum ersten Mal Winterstimmung aufkommen. Unter den Linden strahlte zwar noch verschwenderisch mit lichterschlauch konturierten Lindenbäumen, aber die eskimokapuzten Passanten suchten Schutz an jedem Verschlag, wenn der Gehfluss durch rote Ampeln unterbrochen war. Vom neuen Hauptbahnhof, als etwas unförmiges Spacelab zwischen Kanzleramt und Charité gelandet, ging ich durch Berlinmitte und Friedrichstraße Richtung Gendarmenmarkt.

Eine Gruppe bemützter Spanier mühte sich an den Sehenswürdigkeiten vorbei, die Raucher nahmen unter Himalayabedingungen ihr Rauchopfer durch eine Wollschallücke hindurch saugend ein, weil dies im Innern der Kaffeehäuser seit dem Rauchverbot zu Jahresbeginn nicht mehr möglich ist.

Im Justizministerium, wo ich einen Termin wahrnahm, hat sich an einer fast ebenso unwirtlichen Stelle gleichermaßen ein Raucherpranger gebildet, wo ein harter Kern auch den kalten Winden trotzte.

In den Kaufhäusern der Hauptstadt herrschte eine aufgeräumte Nachweihnachtsgeschäftigkeit, die noch in gezielte großvolumige Nachkäufe mündete. Trotz zügigen Gangs wollte sich auch bei mir keine rechte Erhitzung einstellen und beflügelt von Anblick der vielen Extremtemperaturraucher lenkte ich meine Schritt in die Currywurstbude unter der Eisenbahnbrücke Bahnhof Friedrichstraße. Schnell wurde mir eine Handvoll Currywurst gereicht, die bald von Innen wärmte, während über mir die Züge hinwegdonnerten.

Ich fürchte, irgendwann wird auch diese Köstlichkeit ins Visier der Gesellschaftserzieher geraten und ihr öffentlicher Genuss nur noch in der Erinnerung vergilbter Fotoabzüge fortleben. Aber bis dahin werde ich jede mir bietende Gelegenheit noch nutzen. Guten Appetit