
Am 28. August hatte ich abends in Köln zu tun und machte vom Bahnsteig 1 kommend gleich den Umweg durch den Dom. Die Bänke im nördlichen Seitenaltar, gegenüber des neuen Fensters, waren gut gefüllt, vorwiegend von Einheimischen, wie man unschwer aus den Unterhaltungen schließen konnte. Der Augenblick, etwa halb 7 Uhr abends war günstig. Die Sonne schien noch ein wenig seitlich durch das Fenster und ließ es im Restlicht des Tages noch einmal hell aufstrahlen.
Das Fenster ist durch und durch unreligiös! Es besteht innerhalb seiner klaren Gliederung aus zufällig(?!) zusammengesetzten Glasfarbfeldern von ungeheurer Intensität. Kein System, kein Muster ist erkennbar, auch nicht auf den dritten Blick. Auch die vierte Möglichkeit, das Abnehmen der Brille, brachte keine versteckten Botschaften zu Tage.
So schaute ich in ein Glasmonument, das die hellste Stelle des Domes, da wo am meisten Licht das Dunkel des Doms erhellt, in ein funkelndes Farbenspiel verwandelt, das Gläubige wie Ungläubige anzusprechen versteht.
In das Fenster kann man sich - wenn man mag - vertiefen, so als tauche man in die starke Vergrößerung eines Bildes, das sich in seine Pixelpunkte auflöst und zum Elementaren zurückkehrt. Dies allein taugt vermutlich schon als für eine erste, versteckte Botschaft. Das Farbenspiel im ansonsten ja eher mystisch dunklen Dom lädt ein zur Meditation. Die Mantren des Rosenkranzes vermögen vielleicht die Tiefen des Fensterfarbenspiels ein wenig auszuloten, aber auch der gedankenverlorene Blick des Rast suchenden Besuchers.
Das Fenster unterstreicht die Mystik des Domes, weil das Fenster eine tiefergehende Sinnsuche provoziert. Denn dies ist nicht ein abstraktes Farbenspiel zum reinen Dekor, dies ist das Gegenteil der figürlichen Darstellung im Nordfenster. Dieses Fenster zeigt an, „seht her, ich bin anders!“
Ich blieb nur 15 Minuten, länger freilich als ich je vor einem Fenster ausschließlich zugebracht habe.
Die Meinung der Kölner war wie immer kontrovers. Aber der eigentliche Erfolg war ja das große Interesse, die komplette Finanzierung der Kosten von rund 350.000 Euro aus Spenden. Nun saßen Sie an einem gewöhnlichen Werktagabend in den Bänken des nördlichen Seitenschiffs und schauten. „Nä, Fritz, dat ess zoo modern.“ „Och Marita, wat du ävver häss. De ahle Teppich moot eruss, dann stööt och dat Finster nit miih.“ Auch glatte Zustimmung vernahm ich.
Richters Fenster ist ein Wiedersehensreise in den Kölner Dom wert. Und die theologische Deutung wird mit ein wenig Abstand sicher auch folgen.
M.28.08.2007

Foto: Wand
Am letzten Samstag war der Kardinal bereits der feierlichen Einweihung des Fensters ferngeblieben. Offiziell, weil er nach Polen reiste. Doch ein Insider sagte dem EXPRESS: „Er mag einfach dieses Fenster nicht.“